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Form

Jedes Ding, das existiert, hat eine Form. In der physikalischen Welt ist das die spezielle Gestalt seiner Ausdehnung. Auch Gedanken haben eine Form, damit meinen wir Ihre Strukturierung. 
Wenn wir in der Kunst/Musik von Form sprechen, so verstehen wir diesen Begriff in herausgehobenem Sinne, er bezeichnet die Art und Weise eines Künstlers aus einem chaotischen Ausgangsmaterial ein Kunstobjekt zu schaffen. Das ist der Angelpunkt meiner Paraphrase.




Am Anfang ist das Chaos. Bevor ein Klangereignis definiert ist, sind alle Möglichkeiten offen und gehen gegen unendlich. Im Moment, da ein Flötenton notiert oder ein Frequenzgemisch fixiert ist, reduzieren sich die Bifurkationen gravierend. Die ersten gesetzten Klangereignisse sagen schon viel aus über die Erscheinung einer Musik. Komponieren heißt aus dieser Perspektive dem Chaos Gestalt geben, also Redundanz schaffen.
 Man könnte eine näherungsweise Formel wagen: 

F = f (R) 


Damit ist Form als eine Funktion von Redundanz definiert.
Ein Kristall ist eine redundantere Form im Vergleich zu dem nichtkristallinen Material; ein Quadrat ist redundanter als ein unregelmäßiges Vieleck. Die organische Natur tendiert zu redundanten Formen, da zu ihrer Erhaltung weniger Informationen notwendig sind. In der Sprache sichert Redundanz die Kommunikation. Nur in einem ungestörten Informationskanal kann Redundanz ganz entfallen.



Alle Kunst ist redundant und ist auch bewusstes Spiel mit der Redundanz. Mondrian ist bewusst redundant und das mehr als Kandinsky, Marc Rothko ist mindestens auf den ersten Blick redundanter als Jackson Pollock. Es gibt hochredundante Musik (Pop, minimal-music) und wenigredundante Musik (z. B. serielle Musik). Die Formerkennung, nämlich das Erfassen der formalen, und strukturellen Beziehungen (Redundanzen) ist abhängig von der Hörerfahrung, also vom musikalischen Bildungsstand. Popularmusik ist redundanter als Kunstmusik Das Maß an Redundanz verrät, wer der Adressat einer Musik sein soll. Redundanz gibt es auf allen musikalischen Ebenen. 


Die Komponisten schaffen Redundanz durch Analogiebildungen, nämlich Wiederholung und Variation, das gilt sowohl für den Makrobereich wie auch für den Mikrobereich (die Morpheme (Agglomertationen von Phonemen) und die Struktur). Weiterhin entsteht R. durch Konstanz in Spektrum, Gestik und weiterer Parameter. Wenn die Redundanz zu hoch ist tritt Langeweile ein, ebenso, wie wenn sie zu gering ist. Die klassisch-romantische Instrumentalmusik hat Stereotype der Redundanzbildung entwickelt. Die Neue Musik kann diese Stereotype nicht verwenden, weil sie mit der funktionalen Dur-Moll-Harmonik verknüpft sind (z. B. Schemata wie A_B_A). Insoweit stellt sich für die Neue (Instrumental) Musik das gleiche formale Problem wie auch für die Ea. Musik. Im Hinblick auf das Redundanz-Problem ist das Komponieren eine Gratwanderung zwischen Clichée und Experiment, zwischen Redundanz und Chaos. Durchlaufende rhythmische Pulsationen sind in der Lage divergentes Material zu „binden“ und auf diese Weise Redundanz zu schaffen, - für Neue Musik wie für Ea. Musik eher untypisch.


(2004) 


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